Schätzung und Prädiktion des Reibwertpotentials für den Einsatz eines autonomen Rennfahrzeugs
Projekt Abgeschlossen - Ansprechpartner: ftm(at)ftm.mw.tum.de
Motivation
Großen Einfluss auf Fahrverhalten und Fahrsicherheit in einem Kraftfahrzeug hat die Interaktion zwischen Reifen und Fahrbahn und der dabei vorherrschende Reibwert μ. Die Verhältnisse im Kontaktpunkt bestimmen die maximal übertragbaren Beschleunigungs-, Brems- und Seitenkräfte des Fahrzeugs. Dieses Reibwertpotential hängt von zahlreichen Einflussgrößen ab und kann im Kontaktpunkt zwischen Reifen und Fahrbahn nicht direkt gemessen, sondern nur geschätzt werden.
Durch die hohe Relevanz für die Fahrsicherheit spielt die möglichst präzise Kenntnis der maximal übertragbaren Kräfte und damit des Reibwertpotentials eine große Rolle. Besonders im Rahmen der steigenden Automatisierung von Fahrfunktionen muss das Fahrzeug selbst in der Lage sein, das Reibwertpotential so genau wie möglich zu erfassen. Das ist vor allem in Gefahrensituationen essentiell, da hier der maximale Reibwert ausgenutzt werden muss, um optimal handeln zu können.
Im Motorsport kommt dem Reibwert neben dem Sicherheitsaspekt eine weitere entscheidende Bedeutung zu. Das Reibwertpotenzial bestimmt zum einen die maximal mögliche Beschleunigung/ Verzögerung in Längsrichtung und zum anderen die maximal mögliche Querbeschleunigung und damit die Kurvengeschwindigkeit. Der Einfluss des Reibwertes auf die Fahrdynamik des Fahrzeugs und die erreichbare Rundenzeit ist signifikant. Das Reibwert-potential soll daher in jeder Situation optimal genutzt werden, wobei eine Überschreitung der maximal übertragbaren Kräfte unbedingt zu vermeiden ist.
Ziel
Das Ziel des Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines echtzeitfähigen Algorithmus, der in der Lage ist, das Reibwertpotential für die vorliegende Fahrbahn zu schätzen und – speziell in Hinblick auf den Renneinsatz – dieses für unterschiedliche Planungshorizonte zu prädizieren. Das Reibwertpotential soll mit hoher lokaler Auflösung für die gesamte Rennstrecke ermittelt werden, um auch Faktoren zu berücksichtigen, die den Reibwert nur lokal beeinflussen (bspw. bei abtrocknender Strecke, variierende Fahrbahnoberfläche). Dadurch kann die Performance des Rennfahrzeugs erheblich gesteigert werden. Beim Transfer auf den Straßenverkehr trägt die genaue Kenntnis des Reibwertpotentials dazu bei, in sicherheitskritischen Situationen entsprechend handeln und einen sicheren Fahrzustand herbeiführen zu können.
Vorgehensweise
Zu Beginn findet eine umfassende Literaturrecherche statt, um die bisher etablierten Verfahren zur Schätzung und Prädiktion des Reibwertpotentials für das gegebene Einsatzgebiet zu identifizieren. Des Weiteren werden Ansätze des maschinellen Lernens recherchiert und daraufhin untersucht, ob sie sich für die Reibwertpotentialschätzung und –prädiktion im vorliegenden Anwendungsfall eignen und darauf angewendet werden können. Anschließend sollen aus beiden Kategorien (konventionell und maschinelles Lernen) Methoden implementiert, miteinander verglichen und weiterentwickelt werden. Neben dem Einsatz in einer Simulationsumgebung werden die vielversprechendsten Verfahren auf einem realen Rennfahrzeug eingesetzt und anhand von Performance-Parametern aus dem Renneinsatz auf ihre Funktionalität hin bewertet.
Der Renneinsatz findet im Rahmen des Roborace statt. Das Projekt Roborace (https://roborace.com/) hat sich zum Ziel gesetzt, eine Rennserie mit unbemannten autonomen Fahrzeugen aufzubauen. Alle Rennen der Roborace-Serie sollen dabei auf den regulären Formel-E Stadtkursen ausgetragen werden. Die Fahrzeuge sind mit diversen Sensoren und mehreren Recheneinheiten ausgestattet, um den Rennfahrer komplett zu ersetzen. Die Rennserie soll als Technologie-Testfeld für die Entwicklung von autonomen Fahrzeugen und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Fahrzeugtechnik dienen.